Alarmierende Rohdiamant-Imitationen im Markt

Bis vor wenigen Jahren wurden Rohdiamanten recht selten imitiert weil der Markt für Rohdiamanten für Aussenstehende nur sehr schwer zugänglich war.

In den vergangenen 15 Jahren sind Rohdiamanten aus Brasilien, Russland und besonders aus bestimmten Afrikanischen Ländern wie Sierra Leone, Guinea und Kongo je länger je mehr beinahe für jedermann zugänglich geworden, oder zumindest wird jedem vorgegaukelt dass dies so sei. 


Mit dieser Entwicklung sind mehr und mehr Rohdiamant-Imitationen im Markt
aufgetaucht, welche zwar für erfahrene Käufer einfach zu erkennen sind, jedoch für den Laien durchaus überzeugend erscheinen können. Nun sind vor kurzem grosse Mengen wirklich täuschend echt erscheinender Rohdiamant-Imitationen in Europa aufgetaucht.

Hintergrundinformation

Rohdiamanten sind aufgrund ihrer meist typischer Form, ihres einzigartigen Glanzes, ihrer Wachstumsfiguren und Auflösungsfiguren eigentlich einfach zu erkennen; die klassischen Kristallformen von Diamant sind Oktaeder und abgerundete Dodekaeder, manchmal stark verzerrt, mit unterschiedlich ausgeprägten Wachstums- und Auflösungsfiguren.
Natürliche Rohdiamanten-Oktaeder und gerundeter Dodekaeder mit ihrem typischen hohen Glanz

Neben dem generellen Erscheinungsbild gilt die extreme hohe Wärmeleitfähigkeit (ca. 5 x höher als die Wärmeleitfähigkeit von Silber) als charakteristisch für Diamant, worauf die allermeisten kommerziell erhältlichen Diamant-Tester basieren.

Natürlich gibt es seit langem Rohdiamant-Imitationen, deren Aussehen jedoch generell gar nichts mit dem Erscheinungsbild von echten Rohdiamanten zu hat; meist handelt es sich um Quarz, Topas oder Glas, die rudimentär bearbeitet wurden, um irgendwie an Diamant zu erinnern.

In Fachzeitschriften wurde in den vergangenen Jahren einige Male von perfekt geformten Oktaeder, manchmal mit eingravierten Auflösungsfiguren, berichtet, welche aus Topas, synthetischem kubischem Zirkonium Oxyd oder Glas hergestellt wurden. Hierbei handelte es sich wohl meist um Einzelfälle, denn das Material war bisher nicht in grossen Mengen im Markt zu finden.

Heute scheint der Fall ganz anders zu sein, was direkt vor Ort in Sierra Leone von einem Diamanthändler zu erfahren war – er zeigte dem Autor eine Hand voll Glas-Oktaedern, welche seiner Angabe nach in der Hauptstadt Freetown von Chinesischen Herstellern in stattlichen Mengen produziert werden. Diese Steine waren gut gemacht, jedoch für den Experten nicht sehr überzeugend.

Der Phenakit - / Topas – Betrug 

Vor kurzem wurde nun ein Stein im Gemlab Labor untersucht, welcher im Rohzustand als Diamant angeboten wurde, und nach dem Schleifen als "diamantartiges Edelsteinmaterial" präsentiert wurde; diese Schlussfolgerung wurde vom Besitzer gemacht, weil der geschliffene Stein mit diversen Diamant-/Moissanit-Testern überprüft wurde, und auf allen Geräten als Diamant bestimmt wurde. 

Der Stein wurde im Labor mit Reflektions- Infrarot-Spektroskopie analysiert und als Phenakit, ein relativ seltenes Beryllium Silikat, identifiziert.

Die Probe wurde im Labor mehrfach mit dem Diamant-/Moissanit Tester des Besitzers gemessen und überraschenderweise tatsächlich bei jedem Mal als "Diamant" identifiziert.

Einige Wochen nach dieser Begebenheit wurde dem Autor in Portugal ein Lot von nahezu 2000 ct vorgelegt, welches aus grossen (über 4 ct, im Durchschnitt ca. 9 ct) hochqualitativen Rohdiamanten bestehen sollte.

Die Steine waren aussergewöhnlich farblose und reine Oktaeder und abgerundete Dodekaeder mit deutlichen Wachstumsmustern; es waren auch abgeflachte Oktaeder in dem Lot, welche an typische Diamant-Zwillingskristalle erinnerten.

Ein Teil der als Rohdiamanten angebotenen Steine – perfekte Oktaeder und abgerundete Dodekaeder.

Die Steine erschienen dem Autor umgehend verdächtig, da der Glanz der Kristalle deutlich unter demjenigen von Diamanten lag und da keiner der Kristalle neben den Wachstumsmustern die typischen Auflösungsmuster (Trigonen) zeigte. 

Einige Kristalle hatten kleine abgeschlagene Stellen, die einen deutlich muscheligen Bruch zeigten, was ganz im Gegensatz zu Diamanten steht, welche aufgrund ihrer perfekten Spaltbarkeit immer einen stufenartigen Bruch aufweisen. Es handelte sich also ganz klar nicht um Diamanten sondern um hervorragend gemachte, fast perfekt geschliffene und gravierte Imitationen.

Da vor Ort nicht die nötigen Instrumente vorhanden waren um das Material eindeutig zu bestimmen, mussten möglichst viele Indizien gesammelt werden um eine Idee über die wahre Identität dieser Rohdiamant-Imitationen zu bekommen. In einem Kristall wurde ein Spaltriss beobachtet, der keiner der Oktaederflächen folgte. In Diamant ist das kristallographisch unmöglich, weil die perfekte Spaltbarkeit in Diamant immer den vier Richtungen der acht Oktaederflächen folgt.

Mit einer Lupe wurden viele aus Flüssigkeiten bestehende Fahnen, zweiphasige Einschlüsse und unregelmässige Risse, oft mit deutlichen Interferenzerscheinungen, beobachtet was typisch ist für hydrothermal entstandene Mineralien jedoch nie in einem Diamanten gefunden werden kann. Unter der Lupe wurde eine leichte Doppelbrechung erkannt, die anschliessend anhand der Reaktion der Kristalle unter gekreuzten polarisierenden Filtern bestätigt wurde. Die zusammengetragenen Indizien deuteten auf Phenakit oder Topas oder gar beide als wahrscheinlichste Kandidaten hin; durch die Entdeckung von grossen Phenakit-Kristallen in Madagaskar ist dieses Mineral zur Zeit in grösseren Mengen und zu günstigen Preisen erhältlich.

Die begründete Vermutung dass es sich bei allen Steine um Phenakit oder Topas handelte wurde am darauf folgenden Tag erhärtet, da ein Händler den wir getroffen haben von der selben Gruppe einen Stein gekauft hat, welchen er sicherheitshalber mit einem Diamanttester überprüft hat – der Tester indizierte dass es sich um Diamant handelte; bei der Begutachtung stellte sich heraus, dass es sich um genau dasselbe Material handelte, welches vom Autor am Vortag analysiert wurde.

Schlussbetrachtung

Diese Rohdiamant-Imitationen sind so perfekt gemacht, dass sie alleine wegen ihrem Erscheinungsbild so manchen Käufer überzeugen werden; die Tatsache dass das Material ausserdem von einigen Diamant-Testern als Diamant bestimmt wird, wird diesen hinterlistig durchdachten Imitation wohl leider zu noch mehr Erfolg verhelfen. Warum gewisse Diamant und Diamant/Moissanit-Tester dieses Material nicht enttarnen liegt mit höchster Wahrscheinlichkeit an einer zu niedrigen Sensibilität mancher Geräte. Nachdem sie nicht die Wärmeleitfähigkeit direkt sondern die Wärmeträgheit messen, ist der Unterschied dieses Wertes zwischen unterschiedlichen Materialien deutlich niedriger als der effektive Unterschied an Wärmeleitfähigkeit.

Wer genau hinter dieser im grossen Stil aufgezogenen Gaunerei steckt ist unklar, jedoch wurden die ~2000 ct falscher Steine von Händlern aus Ländern Südwestafrikas angeboten. Wer die Steine herstellt ist unbekannt.

Quelle: Thomas Hainschwang, GEMLAB, Labor für Edelsteinanalysen, FL-9491 Ruggel

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